Nach drei
Wochen in Istanbul freuten wir uns sehr wieder weiterzuradeln. Wir entschieden
uns mit einer Fähre nach Yalova über das Marmarameer überzusetzen, da wir nicht
wieder wie bei der Einfahrt einen langen Tag durch die Metropole radeln
wollten. Holprig begann unser Start, zunächst verpassten wir erstmal die Fähre,
da wir knapp dran waren und diese auch einfach mal fünf Minuten früher ablegte.
Als dann die nächste Fähre kam, hatten wir unseren ersten Platten, das
Hinterrad stand komplett ohne Luft da und wurde nun in jämmerlichem Zustand
einfach auf die Fähre gezerrt, sonst hätten wir diese ebenfalls verpasst.
Ab Yalova
war wieder Natur angesagt, endlich wieder Ruhe, Vogelgezwitscher, Bäche und die
Bäume nun komplett in frischem frühlingshaften Grün, die Temperaturen dazu
hochsommerlich. Bei knapp vierzig Grad auf den Straßen hatten wir ganz schön zu
schwitzen, zumal es wie geahnt ordentlich auf und ab ging. Kaum hatten wir uns
auf eine Anhöhe gekämpft ging es sogleich wieder hinab um gegenüber schon den
nächsten Anstieg zu sehen. Wie sollte das noch werden, wo es gerade erst Anfang
Mai war?
Doch schon
nach drei warmen Tagen sollte die Abkühlung kommen mit zwei großen Gewittern
war die Wärme vorbei, wir inzwischen mit knapp 1000 m Höhe etwas höher am
strampeln. Seither radeln wir in einem bunten Mix aus Sonne und doch häufigen
längeren Schauern.
Überall
werden wir sehr nett aufgenommen, die Türken die meist in aller Ruhe am
Straßenrand dem Verkehr und dem Leben auf der Straße folgen sind sehr
interessiert an unserem großen Rad. Ständig werden wir zu Cay, dem türkischen
Tee eingeladen. Das Nationalgetränk gibt es immer und überall, rund um die Uhr
in kleinen bauchigen Gläsern und wenn wir jeden Cay trinken würden der uns
angeboten wird, würden wir wohl gar nicht zum Radeln kommen.
Wenn sich
ein Radeltag zu Ende neigt, beginnt immer wieder aufs Neue die Suche nach einem
Lagerplatz. Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten entweder wild zelten, bei
Leuten schlafen oder gelegentlich eine Unterkunft. Die letzte Möglichkeit
meiden wir in der Regel, da diese in unserem Budget meist sehr zu wünschen
übrig lassen. Die erstere Möglichkeit ist in der Türkei gar nicht so einfach wahrzunehmen,
denn die unglaublich gastfreundlichen Türken freuen sich uns einzuladen, was
sehr schön ist, doch nach einem langen Radeltag zum Teil anstrengend sein kann.
Ab dem Moment der Einladung bis zum Schlafen gibt es dann wenig Freiraum.
Zunächst wird diskutiert warum wir eigentlich unterwegs sind, warum mit dem Rad
und dazu noch mit einem für zwei Personen, ob wir verheiratet sind. Ja, das
sind wir fiktiv seit vergangenem Jahr, denn sonst würde es die Familie wohl
nicht tolerieren, dass wir in einem gemeinsamen Raum schlafen. Bei einer wohl
sehr frommen Familie bekam Line direkt nachdem Duschen erstmal angemessene
Kleidung angezogen, mit Kopftuch und den ganzen Körper verhüllender weiter
Kleidung war sie dann konform. Dann wird im Sitzen von einer gemeinsamen Tafel
gegessen. Meist essen wir als Gäste und die Männer des Hauses zuerst, während
uns die Frauen bedienen, daneben sitzen oder sich nach dem Servieren in einem
anderen Raum aufhalten und dann nach uns essen. Dieses getrennte Essen ist für
uns sehr ungewohnt und so fühlen wir uns meist nicht so wohl in dieser
Situation, wissend, dass die Frauen wegen uns erst später essen. Auf den
weiteren Weg bekommen wir dann noch die Packtaschen ordentlich mit Proviant
vollgestopft, so dass wir sicher nicht hungern müssen.
So haben wir
seit Istanbul beim Militär genächtigt, bei mehreren Bauernfamilien, an einer
Tankstelle, wo uns der Tankstellenwart gleich noch ein Yakuzi-Bad im nahen
Hamam ermöglicht hat, einem türkischen Radler, der uns unbedingt beherbergen
wollte und Mittag bei einem entlegenen Polizeiposten gemacht haben, obwohl wir
gar kein Brot hatten. Irgendwie hatten wir in den Dörfern durch die wir
geradelt waren kein Brot bekommen und standen sehr hungrig vor einem 700
Meteranstieg, was tun? Die netten Polizisten informierten einfach schnell den
nächsten Bus der kurz darauf durch ihre Kontrolle fahren würde und bat den Bus
uns Brot mitzubringen. Keine Viertelstunde später hatten wir Brot, alle
Beteiligten freuten sich und lehnten das Begleichen unserer Brotschuld vehement
ab.
Aufgrund des
wenigen Freiraumes einer Einladung genießen wir das Zelten umso mehr. Die
Gewässer sind leider häufig verschmutzt, so dass wir uns an gefassten Quellen
die es zuhauf am Wegesrand gibt, alle Flaschen und unseren Wassersack
auffüllen, was dann für eine knappe Katzenwäsche, Kochen und Trinken bis zum
nächsten Morgen reicht. Seit gut einer Woche weisen uns Kuhhirten und jede
Menge anderer Leute darauf hin, dass es in dieser Region Wölfe gibt, die uns
nachts gefährlich werden könnten. Wir sind etwas verunsichert, wie wir mit
diesen Warnungen umgehen sollen und verpacken nun nachts das Essen. Bisher ist
jedoch das wilde Zelten gutgegangen und der einzige Besucher im Zelt war bisher
eine Maus.
Seit
Kappadokien begleitet uns Alex, ein guter Schulfreund von Thomas. Zu Beginn
verbringen wir schöne gemeinsame Tage in Göreme und sind fasziniert von der
Höhlenlandschaft mit ihren beeindruckenden Felsformationen. Dann geht es mit
den Rädern durch Anatolien, geplant waren eigentlich zwei gemeinsame Wochen,
doch leider wurde daraus nur eine gute Woche in der tollen Weite mit den
faszinierenden Lichtwechseln bei heiterem Wetter mit immer wiederkehrenden
Schauern, denn aktuell haben wir wohl eine unglücklichere Phase. Zunächst ging
unser Benzinkocher kaputt und so haben wir lange an diesem herumzuspielen, bis
dieser dann doch noch irgendwie halbwegs stabil brennt um zu kochen. Gestern
geschah dann das Unfassbare. In einem Anstieg bemerken wir plötzlich ein
unangenehmes Knacken. Plötzlich ist das ganze Tandem weich wie Butter und alles
füllt sich ganz komisch an. Wir halten und entdecken einen Rahmenbruch an
unserem geliebten Tandem, welches uns seit vier Jahren treu die tollsten
Strecken ermöglichte. Unfassbar sitzen wir da, können es nicht glauben und sind
sogleich erstmal machtlos. Platten oder gebrochene Speichen können wir ohne weiteres
flicken, doch einen gebrochenen Tandemrahmen schweißen ist für uns selbst
unmöglich.
In der
Türkei gibt es immer eine Lösung und so nehmen uns drei erstmal zwei Elektriker
auf ihrem Pickup samt der ganzen Ausrüstung und den zwei Rädern mit zurück in
die nächste Stadt und dort sogleich zu anderen Handwerkern die am liebsten
sofort unseren Rahmen wieder zusammenschweißen würden. Mit Müh und Not können
wir Ihnen erklären, dass wir zuerst mit der Firma Pedalpower in Berlin
telefonieren möchten um abzuklären, wie wir vorgehen sollen. Wahrscheinlich ist
unser Anhänger die Ursache für den Rahmenbruch an einem der Ausfallenden. Da
der Rahmen wohl hartgelötet werden muss und wir den sehr netten aber doch immer
allwissenden Türken hier im freien Felde das Schweißen nicht überlassen
möchten, sitzen wir nun unglaublicherweise Blogbericht schreibend in einem Bus
nach Istanbul.
Was für
chaotische Tage, zur Zeit ändern sich die Pläne fast stündlich…kaum in Istanbul
angekommen entscheiden wir uns dafür, dass Thomas mit dem Rahmen nach
Deutschland fliegt, damit Pedalpower die Reparaturen selbst vornehmen kann samt
zusätzlicher Verstärkungen, damit das Tandem die Weiterfahrt mit dem Hänger gut
übersteht. Der Flug ist nicht teurer als das Schicken und zudem hoffentlich
schneller, denn die festgelegten Zeiträume für die Visa der kommenden Länder
geben uns einen gewissen Zeitrahmen vor. Nach einer fast schlaflosen Nacht im
Bus bauen wir unser Rad, die Fram, auseinander und bald steht der nackte Rahmen
vor uns, wir können es gar nicht glauben. Noch in der Nacht machen sich Alex
und Thomas auf zum Flughafen und Line bleibt für eine knappe Woche in Istanbul.