25.04.2012

Griechenland, Türkei bis Istanbul


Zugegeben hätten wir in den vergangenen Wochen häufiger schreiben können, es lag sicher nicht an der Internetverbindung, doch mit schlechtem Wetter, einer wilden Insel, einem kaputten Zeltreißverschluss, damit verbundenem Übernachten bei Leuten, der verrückten Einfahrt nach Istanbul und der begonnen Visaorganisation für die kommenden Länder war viel zu erleben und zu tun.
Nun aber am besten der Reihenfolge nach.
Nach Mazedonien war Griechenland das nächste Land in welches wir einreisten.  Nach unserer Vorstellung und Planung mit der doch noch etwas frühen Abreise aus Freiburg, dachten wir immer, dass wir ab Griechenland in wärmeren Gefilden radeln würden.  Es sollte genau anders kommen, denn abgesehen von ein paar Tropfen in Innsbruck hatten wir bis Griechenland eigentlich nur Sonne und tagsüber angenehme Temperaturen. In den Anstiegen hatten wir uns immer öfter gefragt,  ob all die warmen Handschuhe, Regenzeugs und sonstiges Textil gegen Kälte überhaupt mitgeradelt werden muss.
Oh ja, und wie, denn kaum waren wir in Griechenland setzte die „Regenzeit“ ein und mit dem Regen wurde es  deutlich kühler.  Einen Tag vor Thessaloniki  zelteten wir in einer wunderbar rosablühenden Pfirsichplantage, freuten uns noch über den schönen Sonnenuntergang. Dicke Regentropfen auf dem Zelt weckten uns, schnell kroch die Feuchtigkeit in unsere Sachen, die wir klamm und das Zelt pitschnass einpackten. Ab dann regnete es Bindfäden. Nass kamen wir beim Besitzer John der Plantage an, am Abend zuvor hatten wir noch gemeinsam Eis gegessen und John uns stolz erzählt, hier würde fast immer die Sonne scheinen, daher ist die Gegend bekannt für seine tollen Pfirsiche.  Betrüppelt setzten wir uns erstmal auf seine Veranda, bekamen einen Kaffee und wirklich super eingelegte Pfirsiche, die Sonne aus dem Glas. Heute sollte es  durchgehend schiffen und so lud uns John erstmal in das leerstehende Haus seiner Schwiegereltern ein. Besser kann man einen Regentag nicht überstehen.
Der Tag darauf war besser, doch noch immer konnten wir jederzeit einen auf den Deckel bekommen, der Himmel verhieß nichts Gutes. Zunächst kamen wir trocken weiter, doch pünktlich mit der Einfahrt nach Thessaloniki begann es wieder zu schütten. Gut, nun hilft nichts außer fahren, was auf autobahnähnlichen Straßen um die zweitgrößte Stadt Griechenlands besonders lecker ist. Immer wieder bekamen wir einen ordentlichen Schwall Drecksbrühe von den vorbeidüsenden Autos ab, dazu aggressive Hunde, die aus den offenstehenden Einfahrten der  Firmen uns nachsetzen, gepaart mit Gegenwind bei knapp zehn Grad. Was gibt es Schöneres? Schöner ist noch bei der einsetzenden Dämmerung überhaupt kein trockenes Plätzchen zu finden und die wenigen trockenen Möglichkeiten verwehrt zu bekommen, was in Griechenland wirklich eine Ausnahme war. Eigentlich würden wir spätestens jetzt ins Hotel gehen, doch dies gibt es hier auch nicht. Schließlich lacht uns ein heruntergekommenes, mit Gerümpel vollgestelltes Carport an. Unsere letzte Chance vor der Dunkelheit. Die verwunderte Griechin hat glücklicherweise nichts dagegen, kurzerhand bauen wir unser Lager auf.  Sogleich bekommen wir Kaffee und Kuchen serviert, über welche Plätze man sich alles freuen kann, siehe Bilder.
Irgendwie werden wir den Regen nicht so richtig los, warm wird es auch kaum noch, meist grau um zehn Grad, mmh, man  soll sich einfach nicht zu konkrete Vorstellungen machen.
Die Griechen sind sehr nett und gastfreundlich und wir werden häufig eingeladen, so auch bei Elias und Dimitris, die wir auf der Straße bei ihrer Sonntagsradtour treffen. Ausnahmsweise bei Sonne picknicken wir mit ihnen am Fluss Nestos. Dimitris ist Allgemeinchirurg, Elias Ingenieur. Wir übernachten bei Ihnen, werden zu großartigem Essen eingeladen, reden viel und bekommen so einen Einblick in die aktuell nicht einfache Lebenssituation vieler Griechen. Arbeitslosigkeit auf der einen und hohe Arbeitsbelastung/-druck bei niedrigen Löhnen auf der anderen Seite, sowie die von vielen geäußerte Aussichtslosigkeit machen uns nachdenklich.
Wieder ist es regnerisch und kalt und so hadern wir lange, ob wir wirklich auf die schroffe Insel Samothraki gehen sollen. Doch die steilaufsteigende einsame Insel lässt uns nicht los, egal, viel schlimmer wird es schon nicht werden.  Als die Fähre näher kommt, ist Neuschnee bis weit Richtung Meer sichtbar.  Super, Skitour! Leider reicht es dafür dann doch nicht ganz und wir kommen genau rechtzeitig zur Wetterbesserung.
Drei Tage lang genießen wir völlige Ruhe und Abgeschiedenheit. Wir radeln an das Ostende, das noch einsamer als die ohnehin spärlich besiedelte Insel ist. Schafe und Ziegen scheinen hier die Insel zu beherrschen. Ihr Mäckern und Blöken füllt die Stille, die von ihnen losgetretenen Steine der steilen Hänge nehmen zusammen mit den querenden Bächen die Straße ein. Nur ein Schild mit der Aufschrift, man würde bei Wildcampen bis zu 3 Monate ins Gefängnis wandern samt Geldstrafe von 150 Euro stört unsere Gelassenheit. Dennoch finden wir nach dem Bad in einer warmen Quelle mit Meerblick ein unberührtes Plätzchen, umgeben von verwilderten Platanen und Olivenbäumen, klarer Bäche und inmitten grüner Wiesen und blökender Vierbeiner aller Altersklassen. Für uns genau der richtige Platz um ordentlich auszuchillen. Wir werden sauber im eiskalten Bach, genießen die Sonne und dass wir, außer dem Schäfer bei seiner stets sehnsüchtig erwarteten morgendlichen Fütterungsrunde, keinem Menschen begegnen.
Die wunderschönen Tage auf der Insel werden nur durch den kaputten Reißverschluss unseres Außenzeltes getrübt. Doch um die Insel  scheint ein guter Geist zu schweben, denn auf der Fähre zurück nach Alexandropouli treffen wir Thomas aus Waiblingen. Unser Zelt darf ihn netter Weise auf dem Heimweg begleiten und ist so 3 Tage später zur Reparatur in München. Ab nun beginnen für uns 3 Tage ohne Zelt über dem Kopf und damit bei wieder regnerischem Wetter die Suche nach anderweitigen Unterschlupfmöglichkeiten.
Zum krönenden Abschluss Griechenlands kommen wir nach Monastiraki, wo wir zu verstehen geben, dass unser Zelt kaputt ist. Wenige Minuten später befinden wir uns in der alten Schule, die den Frauen des Dorfes nun als Treffpunkt dient. In der gut ausgestatteten Küche können wir unser auf Samothraki gekauftes Schafsfleisch zubereiten, das beste, das wir je gegessen haben. Dazu preisen uns die Frauen den mit Bier gefüllten Kühlschrank an. Die Kinder des Dorfes belagern uns, besonders der Junge Sotiri argumentiert, dass der Regen zu stark sei, um morgen weiter zu fahren. In der guten Stube wimmelt es nur so von Mücken, sodass wir das Innenzelt mit einer abenteuerlichen Konstruktion aufbauen und so unsere Ruhe haben.
Insgesamt war Griechenland die reinste Gaudi, wir sind so nett aufgenommen worden und haben uns sehr wohl gefühlt.


Unter wolkenverhangenem Himmel radeln wir Richtung türkische Grenze. Wir haben uns so auf dieses Land gefreut, die letzten Kilometer radeln wir aufgeregt und voller Vorfreude. Der Grenzübergang mit griechischen und türkischen Fahnen sowie mit Maschinenpistolen ausgestattetem Militär gäbe ein super Bild ab, was die Soldaten wie erwartet anders sehen.
Bis Istanbul radeln wir auf bis zu vierspuriger Straße. Die Shoulder, meist bestehend aus Schotter und Schlaglöchern, dient uns als Rückzugsmöglichkeit vor dem immer stärker werdenden Verkehr. Hier fährt von Pferdewagen bis Porsche Cayenne einfach alles.
Zum Ausgleich übernachten wir diesmal im Männertreff von  Cavusköy und erleben erstmals die unglaubliche Gastfreundschaft der Türken. Noch in der Radelkleidung bekommen wir auf einem riesigen Tablett eine reichhaltige warme Mahlzeit serviert. Am Abend sind wir zu Cay eingeladen, Line ist die einzige Frau zwischen vielen rauchenden Männern, die uns sehr offenherzig und interessiert aufnehmen. In der letzten Nacht vor Istanbul kommen wir in einem sich im Umbau befindenden Rathaus unter, lediglich der polizeiliche Wirtschaftskontrolldienst hat hier noch sein Quartier. Nach anfänglicher Skepsis und Passkontrolle freunden wir uns allmählich mit dem Polizeichef an, ein Freund der Bundesliga, besonders Mönchen gladbach. Nach Cay am Abend empfängt er uns am Morgen mit türkischem Frühstück, er ist extra eine Stunde früher gekommen.
100 km vor Istanbul steht uns nun die Einfahrt in die riesige Stadt bevor. Bei immer verrückter werdendem Verkehr bewährt sich unser Tandem, die Fram, erneut. Während Thomas wie ein Wilder lenkt, versucht Line ihn zwischen Auffahrten und Spurenwechsel zu lotsen. Die Leute sind hier einfach gut drauf, in Deutschland sind wir nach wenigen Minuten von der Polizei von einer im Vergleich winzigen Bundesstraße geholt worden, hier freut sich jeder, winkt, schnackt aus dem Fenster und feuert uns auf fünfspurigen Straßen an. Irgendwie kommen wir erstaunlich gut und unkompliziert ins Zentrum. Am 16. April kommen wir nach 3000 km an einem der langersehnten Orte unserer Reise, in Istanbul, an.
Über Eli die gute Fee (danke Dir!) finden wir eine kleine aber feine Wohnung in einem netten Viertel, in dem vor allem Einheimische wohnen und wir mit unserer Erdgeschosslage mitten im Leben der Straße sind. Mit unserem Nachbarn tauschen wir Cay, Leckereien und türkische Musik aus und müssen mehrmals am Tag den Fußball der spielenden Kinder wieder nach draußen werfen.
Die erste Woche haben wir uns vor allem um die Visa Organisation für Zentralasien gekümmert, nicht die angenehmste Beschäftigung. Dies scheint bisher relativ erfolgreich zu verlaufen, die ersten Visa können wir hoffentlich bald abholen. Vor allem Aserbaidschan bereitet uns derzeit Kopfzerbrechen, nach mehrmaligem Besuch hat auch der Azeri-Konsul keine Böcke mehr auf uns. Noch nicht mal um uns loszuwerden stellt er uns ein Visum aus, daher müssen wir dies nun über Berlin oder Ankara laufen lassen, beides nicht die unkompliziertesten Varianten, danke Aserbaidschan.  Es bleibt wohl spannend…
Beim nächsten Mal berichten wir über das Stadtleben in Istanbul, also schaltet ein, wenn es wieder heißt: eins, zwei oder drei, letzte Chance bei den Azeris vorbei!





01.04.2012

Biking Balkan II


Aus Dubrovnik hinaus hat uns der Stress der Küstenstraße schnell wieder, weiterhin wird überholt als gebe kein morgen. Glücklicherweise endet der Trubel nach dem Flughafen. Bald darauf wird die Straße auffallend schlechter und wir weichen Schlaglöchern anstelle entgegenschießender Autos aus, deutlich angenehmer.  
Alsbald wir in Montenegro sind, grüßen die Menschen wieder häufiger, viel öfter ist ein Lachen oder Anfeuern wahrzunehmen. Während der ersten Kilometer bekommen wir während des Radelns eine Infobroschüre über das Städtchen, durch welches wir gerade kommen, von einem alten Mann aus seinem Auto zugesteckt: „If you want to stay!“
Leider ist auch die Küste Montenegros nicht vom Bauwahn verschont geblieben, fast noch schlimmer sind eigentlich wunderschöne Buchten, die direkt in die zum Teil noch schneebedeckten Berge übergehen flächendeckend bebaut. Die wenigen freien Plätze werden munter zugebaut und dabei ist es besonders jämmerlich anzusehen, wie viele halbfertigen Rohbauten unvollendet herumstehen und uns noch nachdenklicher stimmen. Wann sind denn hier so viele Menschen, dass all diese Gebäude belegt sind?  Nach dem Abzweig in die Stadt Podgorica finden wir eine schöne noch sehr belassene Bucht und können direkt am Strand zelten. Wunderbar geht die Sonne im Meer unter und so beginnen wir gemütlich im Zelt zu kochen, als der Wind auffrischt. Also erstmal Zelt zu, der Wind wird sich schon bald wieder legen. Von wegen, die Böen werden immer heftiger,  zack, da reißt es schon den ersten Hering aus dem Sand. Unser warmes Essen bekommen wir gerade noch gegessen, dann entscheiden wir uns einen anderen Lagerplatz zu suchen, unser Zelt wird inzwischen sandgestrahlt und bei diesen Böen ist nicht an Schlaf zu denken. Erschöpft und nach längerer Suche finden wir doch ein halbwegs windgeschütztes Plätzchen hinter alten Wohnwagen, trotz Abspannen aller Leinen und im Windschatten wackelt und knattert es so um uns, dass wir nicht schlafen können. Uff, als es wieder hell ist, ist der Wind vorüber, als wäre nichts gewesen. Guten Morgen, ein neuer Radeltag beginnt.
Auf dem Weg an die albanische Grenze verlassen wir das Mittelmeer, eigentlich sind wir beide froh, denn es würde sich wohl kaum etwas ändern, selbst wenn wir wahrscheinlich um das ganze Mittelmeer radeln würden. Dimitris, der wandernde Grieche, den wir kurz darauf mit einem Franzosen treffen, beschreibt es als den Pool Europas, dennoch will er um diesen herumwandern.
In Albanien werden wir herzlich aufgenommen. Wir fragen eine Familie, ob wir auf der Wiese neben ihrem Haus zelten dürften. Selbstverständlich, eine unglaubliche Gastfreundschaft empfängt uns, wir sitzen zum Abendessen mit am Tisch der Familie, während uns parallel albanisches Fernsehen informiert. Nach dem Essen wird uns eine Dusche angeboten, die nach der Katzenwäsche der Abende seit Dubrovnik gut tut. Am nächsten Morgen möchten sie uns ungerne weiterradeln lassen, wir sollten doch noch zum Mittagessen bleiben, mit dem wenigen Frühstück welches wir gegessen hätten könne man doch nicht in die Berge radeln. Um in Albanien keine Lek abheben zu müssen, hatten wir in Montenegro noch ordentlich Proviant gekauft. Dieser wurde bislang nicht kleiner und nun noch mehr, als sie uns zum Abschied Äpfel, Lauch, Salat und Zwiebeln mitgeben.
Am Abend darauf zelten wir auf dem kleinen Hof einer Familie in den Bergen. Wir finden keine gemeinsame Sprache außer wenigen Worten Englisch und doch können wir einander ganz gut mitteilen. Der kleine Hof und der nahe Fluss versorgt die Familie komplett, es gibt Kartoffeln mit Spiegelei und Fisch gebraten über offenem Feuer. Erneut sind wir dankbar für die herzliche Gastfreundschaft.
Leider machen wir anschließend auch zwei weniger gute Erfahrungen. Jugendliche werfen uns bei voller Fahrt Steine ins Hinterrad, wobei wir nichts abbekommen und auch das Rad unversehrt bleibt. In einer entlegenen Kurve fahren wir aufgrund der starken Steigung langsam, als plötzlich ein Mann vor uns auftaucht. Er greift Thomas in den Lenker, um uns vom Fahrrad zu holen. Es gelingt uns ihn abzuwehren und auf dem Rad zu bleiben. Als er dies realisiert, holt er aus und sein Schlag erwischt Line auf der Schulter.
Nachdem wir an diesem Tag das Land verlassen beschäftigen uns neben den Erinnerungen an die netten Menschen und Einladungen auch diese Momente, sowie die teilweise groß scheinenden Gegensätze des Landes.
In der Abendsonne erreichen wir Mazedonien, wo wir in dem Städtchen Debar einen im Garten arbeitenden Mann nach einer Zeltmöglichkeit fragen. Luli lädt uns sofort ein, auf der Wiese seines Hauses zu zelten. Nach dem langen Radeltag nehmen wir diese Einladung gerne an. Während wir aufbauen, serviert uns seine Frau türkischen Kaffee. Später zeigt er uns seinen Kiosk, den er seit seinem Ruhestand vor dem Haus eröffnet hat. Durch seine Arbeit bei der Gipsfirma Knauf spricht er etwas deutsch und so plaudern wir bei Schnaps und leckerer Wurst aus Skopje. Bei einem Tanz der süßen Enkeltochter Buna verabschieden wir uns am nächsten Tag von der Familie, vielen Dank für die nette Gastfreundschaft.
In Ohrid legen wir eine zweitägige Pause ein und schauen uns die hübsche kleine Stadt an. Auf etwa 700m ist es nun wieder etwas kälter, was nach den teilweise 30°C warmen Tagen auch mal wieder ganz angenehm ist.