Zugegeben hätten wir in den vergangenen Wochen häufiger
schreiben können, es lag sicher nicht an der Internetverbindung, doch mit
schlechtem Wetter, einer wilden Insel, einem kaputten Zeltreißverschluss, damit
verbundenem Übernachten bei Leuten, der verrückten Einfahrt nach Istanbul und
der begonnen Visaorganisation für die kommenden Länder war viel zu erleben und zu
tun.
Nun aber am besten der Reihenfolge nach.
Nach Mazedonien war Griechenland das nächste Land in welches
wir einreisten. Nach unserer Vorstellung
und Planung mit der doch noch etwas frühen Abreise aus Freiburg, dachten wir
immer, dass wir ab Griechenland in wärmeren Gefilden radeln würden. Es sollte genau anders kommen, denn abgesehen
von ein paar Tropfen in Innsbruck hatten wir bis Griechenland eigentlich nur
Sonne und tagsüber angenehme Temperaturen. In den Anstiegen hatten wir uns
immer öfter gefragt, ob all die warmen
Handschuhe, Regenzeugs und sonstiges Textil gegen Kälte überhaupt mitgeradelt
werden muss.
Oh ja, und wie, denn kaum waren wir in Griechenland setzte
die „Regenzeit“ ein und mit dem Regen wurde es
deutlich kühler. Einen Tag vor
Thessaloniki zelteten wir in einer
wunderbar rosablühenden Pfirsichplantage, freuten uns noch über den schönen Sonnenuntergang.
Dicke Regentropfen auf dem Zelt weckten uns, schnell kroch die Feuchtigkeit in
unsere Sachen, die wir klamm und das Zelt pitschnass einpackten. Ab dann
regnete es Bindfäden. Nass kamen wir beim Besitzer John der Plantage an, am
Abend zuvor hatten wir noch gemeinsam Eis gegessen und John uns stolz erzählt,
hier würde fast immer die Sonne scheinen, daher ist die Gegend bekannt für
seine tollen Pfirsiche. Betrüppelt
setzten wir uns erstmal auf seine Veranda, bekamen einen Kaffee und wirklich super
eingelegte Pfirsiche, die Sonne aus dem Glas. Heute sollte es durchgehend schiffen und so lud uns John
erstmal in das leerstehende Haus seiner Schwiegereltern ein. Besser kann man
einen Regentag nicht überstehen.
Der Tag darauf war besser, doch noch immer konnten wir
jederzeit einen auf den Deckel bekommen, der Himmel verhieß nichts Gutes.
Zunächst kamen wir trocken weiter, doch pünktlich mit der Einfahrt nach
Thessaloniki begann es wieder zu schütten. Gut, nun hilft nichts außer fahren,
was auf autobahnähnlichen Straßen um die zweitgrößte Stadt Griechenlands
besonders lecker ist. Immer wieder bekamen wir einen ordentlichen Schwall
Drecksbrühe von den vorbeidüsenden Autos ab, dazu aggressive Hunde, die aus den
offenstehenden Einfahrten der Firmen uns
nachsetzen, gepaart mit Gegenwind bei knapp zehn Grad. Was gibt es Schöneres? Schöner
ist noch bei der einsetzenden Dämmerung überhaupt kein trockenes Plätzchen zu finden
und die wenigen trockenen Möglichkeiten verwehrt zu bekommen, was in
Griechenland wirklich eine Ausnahme war. Eigentlich würden wir spätestens jetzt
ins Hotel gehen, doch dies gibt es hier auch nicht. Schließlich lacht uns ein
heruntergekommenes, mit Gerümpel vollgestelltes Carport an. Unsere letzte
Chance vor der Dunkelheit. Die verwunderte Griechin hat glücklicherweise nichts
dagegen, kurzerhand bauen wir unser Lager auf.
Sogleich bekommen wir Kaffee und Kuchen serviert, über welche Plätze man
sich alles freuen kann, siehe Bilder.
Irgendwie werden wir den Regen nicht so richtig los, warm wird
es auch kaum noch, meist grau um zehn Grad, mmh, man soll sich einfach nicht zu konkrete
Vorstellungen machen.
Die Griechen sind sehr nett und gastfreundlich und wir werden
häufig eingeladen, so auch bei Elias und Dimitris, die wir auf der Straße bei
ihrer Sonntagsradtour treffen. Ausnahmsweise bei Sonne picknicken wir mit ihnen
am Fluss Nestos. Dimitris ist Allgemeinchirurg, Elias Ingenieur. Wir
übernachten bei Ihnen, werden zu großartigem Essen eingeladen, reden viel und
bekommen so einen Einblick in die aktuell nicht einfache Lebenssituation vieler
Griechen. Arbeitslosigkeit auf der einen und hohe Arbeitsbelastung/-druck bei
niedrigen Löhnen auf der anderen Seite, sowie die von vielen geäußerte
Aussichtslosigkeit machen uns nachdenklich.
Wieder ist es regnerisch und kalt und so hadern wir lange,
ob wir wirklich auf die schroffe Insel Samothraki gehen sollen. Doch die
steilaufsteigende einsame Insel lässt uns nicht los, egal, viel schlimmer wird
es schon nicht werden. Als die Fähre
näher kommt, ist Neuschnee bis weit Richtung Meer sichtbar. Super, Skitour! Leider reicht es dafür dann
doch nicht ganz und wir kommen genau rechtzeitig zur Wetterbesserung.
Drei Tage lang genießen wir völlige Ruhe und
Abgeschiedenheit. Wir radeln an das Ostende, das noch einsamer als die ohnehin
spärlich besiedelte Insel ist. Schafe und Ziegen scheinen hier die Insel zu
beherrschen. Ihr Mäckern und Blöken füllt die Stille, die von ihnen
losgetretenen Steine der steilen Hänge nehmen zusammen mit den querenden Bächen
die Straße ein. Nur ein Schild mit der Aufschrift, man würde bei Wildcampen bis
zu 3 Monate ins Gefängnis wandern samt Geldstrafe von 150 Euro stört unsere
Gelassenheit. Dennoch finden wir nach dem Bad in einer warmen Quelle mit
Meerblick ein unberührtes Plätzchen, umgeben von verwilderten Platanen und
Olivenbäumen, klarer Bäche und inmitten grüner Wiesen und blökender Vierbeiner
aller Altersklassen. Für uns genau der richtige Platz um ordentlich
auszuchillen. Wir werden sauber im eiskalten Bach, genießen die Sonne und dass
wir, außer dem Schäfer bei seiner stets sehnsüchtig erwarteten morgendlichen
Fütterungsrunde, keinem Menschen begegnen.
Die wunderschönen Tage auf der Insel werden nur durch den
kaputten Reißverschluss unseres Außenzeltes getrübt. Doch um die Insel scheint ein guter Geist zu schweben, denn auf
der Fähre zurück nach Alexandropouli treffen wir Thomas aus Waiblingen. Unser
Zelt darf ihn netter Weise auf dem Heimweg begleiten und ist so 3 Tage später
zur Reparatur in München. Ab nun beginnen für uns 3 Tage ohne Zelt über dem
Kopf und damit bei wieder regnerischem Wetter die Suche nach anderweitigen
Unterschlupfmöglichkeiten.
Zum krönenden Abschluss Griechenlands kommen wir nach
Monastiraki, wo wir zu verstehen geben, dass unser Zelt kaputt ist. Wenige
Minuten später befinden wir uns in der alten Schule, die den Frauen des Dorfes
nun als Treffpunkt dient. In der gut ausgestatteten Küche können wir unser auf
Samothraki gekauftes Schafsfleisch zubereiten, das beste, das wir je gegessen
haben. Dazu preisen uns die Frauen den mit Bier gefüllten Kühlschrank an. Die
Kinder des Dorfes belagern uns, besonders der Junge Sotiri argumentiert, dass
der Regen zu stark sei, um morgen weiter zu fahren. In der guten Stube wimmelt
es nur so von Mücken, sodass wir das Innenzelt mit einer abenteuerlichen
Konstruktion aufbauen und so unsere Ruhe haben.
Insgesamt war Griechenland die reinste Gaudi, wir sind so
nett aufgenommen worden und haben uns sehr wohl gefühlt.
Unter wolkenverhangenem Himmel radeln wir Richtung türkische
Grenze. Wir haben uns so auf dieses Land gefreut, die letzten Kilometer radeln
wir aufgeregt und voller Vorfreude. Der Grenzübergang mit griechischen und
türkischen Fahnen sowie mit Maschinenpistolen ausgestattetem Militär gäbe ein
super Bild ab, was die Soldaten wie erwartet anders sehen.
Bis Istanbul radeln wir auf bis zu vierspuriger Straße. Die
Shoulder, meist bestehend aus Schotter und Schlaglöchern, dient uns als
Rückzugsmöglichkeit vor dem immer stärker werdenden Verkehr. Hier fährt von
Pferdewagen bis Porsche Cayenne einfach alles.
Zum Ausgleich übernachten wir diesmal im Männertreff
von Cavusköy und erleben erstmals die
unglaubliche Gastfreundschaft der Türken. Noch in der Radelkleidung bekommen
wir auf einem riesigen Tablett eine reichhaltige warme Mahlzeit serviert. Am
Abend sind wir zu Cay eingeladen, Line ist die einzige Frau zwischen vielen
rauchenden Männern, die uns sehr offenherzig und interessiert aufnehmen. In der
letzten Nacht vor Istanbul kommen wir in einem sich im Umbau befindenden
Rathaus unter, lediglich der polizeiliche Wirtschaftskontrolldienst hat hier
noch sein Quartier. Nach anfänglicher Skepsis und Passkontrolle freunden wir
uns allmählich mit dem Polizeichef an, ein Freund der Bundesliga, besonders
Mönchen gladbach. Nach Cay am Abend empfängt er uns am Morgen mit türkischem
Frühstück, er ist extra eine Stunde früher gekommen.
100 km vor Istanbul steht uns nun die Einfahrt in die
riesige Stadt bevor. Bei immer verrückter werdendem Verkehr bewährt sich unser
Tandem, die Fram, erneut. Während Thomas wie ein Wilder lenkt, versucht Line
ihn zwischen Auffahrten und Spurenwechsel zu lotsen. Die Leute sind hier
einfach gut drauf, in Deutschland sind wir nach wenigen Minuten von der Polizei
von einer im Vergleich winzigen Bundesstraße geholt worden, hier freut sich
jeder, winkt, schnackt aus dem Fenster und feuert uns auf fünfspurigen Straßen
an. Irgendwie kommen wir erstaunlich gut und unkompliziert ins Zentrum. Am 16.
April kommen wir nach 3000 km an einem der langersehnten Orte unserer Reise, in
Istanbul, an.
Über Eli die gute Fee (danke Dir!) finden wir eine kleine
aber feine Wohnung in einem netten Viertel, in dem vor allem Einheimische
wohnen und wir mit unserer Erdgeschosslage mitten im Leben der Straße sind. Mit
unserem Nachbarn tauschen wir Cay, Leckereien und türkische Musik aus und
müssen mehrmals am Tag den Fußball der spielenden Kinder wieder nach draußen
werfen.
Die erste Woche haben wir uns vor allem um die Visa Organisation
für Zentralasien gekümmert, nicht die angenehmste Beschäftigung. Dies scheint
bisher relativ erfolgreich zu verlaufen, die ersten Visa können wir hoffentlich
bald abholen. Vor allem Aserbaidschan bereitet uns derzeit Kopfzerbrechen, nach
mehrmaligem Besuch hat auch der Azeri-Konsul keine Böcke mehr auf uns. Noch
nicht mal um uns loszuwerden stellt er uns ein Visum aus, daher müssen wir dies
nun über Berlin oder Ankara laufen lassen, beides nicht die unkompliziertesten
Varianten, danke Aserbaidschan. Es
bleibt wohl spannend…
Beim nächsten Mal berichten wir über das Stadtleben in
Istanbul, also schaltet ein, wenn es wieder heißt: eins, zwei oder drei, letzte
Chance bei den Azeris vorbei!